Wie eine große Familie

Renè Tzschoppe, Sächsische Zeitung vom 10. Dezember 2005

Weihnachten. Der Christkindelmarkt ist nur kurze Zeit in Görlitz. Genug Zeit, meinen die Händler.

 

Schon bevor es richtig losgeht, taucht der Weihnachtsmann am Freitagmittag in der Brüderstraße auf. Immer wenn ein Kind in seine Nähe kommt, plaudert er drauflos.

 

Die ersten Besucher schlendern bereits zwischen den Ständen – auch die ersten Kleinen. Es duftet deftig oder süß an vielen Ecken. Auf der Bühne geht es auch gleich los: Die Mikrophone werden aufgestellt.

 

Um punkt 14 Uhr schallt das erste Weihnachtslied aus den Lautsprechern. Viel Gäste haben die Musiker noch nicht. Die meisten zieht es zu den Verkaufsständen. Nahe der Rathaustreppe hat sich eine kleine Schlange von vier Besuchern gebildet. Sie stehen am Stand vom Bautzner „Wurst-Franz“. Die aktuellen Fleischskandale tun dem Appetit auf Bratwürste offenbar keinen Abbruch. Noch stehen nicht alle Stände. In manchen bauen die Händler noch die Waren auf.

 

Alles muss richtig schön sein

 

Ein paar Meter vom Neptunbrunnen hat der Töpfer Günter Meißner aus Trebus seinen Stand aufgebaut. Töpfe und Tassen sind schon sauber drapiert. Eine Dreiviertelstunde brauchen die Vorbereitungen. „Wenn wir den Stand für den ersten Tag einrichten, benötigen wir sogar drei Stunden“, sagt Meißner. Das Regal wird an den richtigen Platz gerückt. „Ich stehe dann meistens drin und meine Tochter Corinna sagt mir von draußen, wie ich etwas korrigieren muss.“ Alles soll ganz genau stimmen. Kein Artikel steht zufällig auf seinem Platz. Der Kunde soll angesprochen werden. Denn der Christkindelmarkt bringt schließlich die Händlerkasse zum Klingeln.

 

„So viel Touristen haben wir noch nicht, dass es sich lohnt, länger zu stehen“, sagt Günter Meißner. Er kenne andere Städte, wo Kollegen mehrere Weihnachtswochen die Beine in den Bauch stehen, nur die kauflustige Kundschaft komme nicht jeden Tag beim Markt vorbei. Manche schließen deshalb zwischendurch ihren Stand – auch der Görlitzer Christkindelmarkt hat im vergangenen Jahr darunter gelitten. Ein nur halb belebter Weihnachtsmarkt sei „schlecht fürs Image“, sagt Günter Meißner.

 

Vasen gehen immer

 

Wieder schauen Besucher an seinem Stand vorbei. Tochter Corinna Meißner berät die Familie aus Niesky. Sie geht nach draußen, um die braune Keramik vor dem Laden besser zeigen zu können. Mutter Heine gibt die Vase an ihren Sohn weiter.

 

Der Markt hat gerade begonnen, es ist das erste Geschäft des Tages für die Meißners. „Die meisten Besucher kommen abends, wenn es bereits dämmert. Dann wirkt der Markt erst mit seinen Lichtern“, schwärmt der Töpfermeister. Die besten Tage seien der Sonnabend und der Sonntag. Die dreiköpfige Familie zieht indessen weiter. Ein Weihnachtsgeschenk soll die Vase nicht sein. „Einfach so. Sieht schön aus“, erklärt die Nieskyerin ihren Kauf. „Vasen gehen immer“, sagt Corinna Meißner.

 

Aber das allein reicht nicht. „Wir versuchen, eine breite Palette an Artikeln mitzubringen“, sagt Günter Meißner. Am Dach hängen Traumfänger mit dem Pfotenabdruck eines Wolfes. „Lausitzer Wolf“ steht darauf. Die Spur des Wolfes hat Meißner selbst entdeckt und mit Ton ausgegossen. Meißner zeigt einen Mohnreibenapf – das Handwerkszeug, damit die typischen Mohnklöße gelingen. Und um das schlesische Gericht richtig lagern zu können, gibt es am Stand genügend Tonschüsseln.

 

Heißer Tee gegen die Kälte

 

„Solch ein Stand ist wie eine Messe. Es wird verkauft, aber man präsentiert sich“, erklärt Günter Meißner. Mancher Kunde komme erst nach Weihnachten in sein Geschäft.

 

Der Christkindelmarkt ist der Jahresabschluss der Markttingeltouren. Bisschen wie eine Familie sei das Gefühl: Man kennt sich und hilft sich aus. Der Töpfermeister zeigt auf den Bäcker, den Fleischer und den Glühweinstand. Dort holen er und seine Tochter sich immer mal wieder einen Tee oder einen Glühwein