König Drosselbart attackiert Tippelweib

R. Ullmann und F. Fischer, Sächsische Zeitung vom 19. Juli 2004

 

Die Finger fest in beide Ohren gepresst, den Kopf eingezogen, so stehen sie da, die Damen der Reisegruppe aus Heidelberg. Einmal haben sie den lauten Knall aus der Kanone der Privilegierten Schützengilde Reichenbach schon erlebt und noch zweimal wird die 40 Millimeter Kanone ihr Machtwort sprechen. Dann ist es soweit: Der Zug der Töpfer setzt sich in Bewegung.

 

Einmal rund um den Obermarkt ziehen Töpfer, Trachtengruppen und die vielen anderen Mitwirkenden am 6. Schlesischen Tippelmarkt. Oberbürgermeister Rolf Karbaum eröffnet den Markt und übergibt die Marktrechte für die nächsten 48 Stunden an die Töpfer. Die bedanken sich mit einem Schluck Tippelwasser aus den kleinen Krügen, die inzwischen zu einem begehrten Souvenir geworden sind. Noch während der offiziellen Begrüßung reitet König Drosselbart seine Attacke gegen den Stand des Schlesischen Tippelweibes. Das beschwert sich lautstark über diese frevelhafte Tat, um sich dann wenig später in den Zug der Töpfer mit einzureihen.

 

Als die beiden Brautpaare Claudia und Robert Zimmermann sowie Katrin und Ronny Sperling die Rathaustreppe herabschreiten, versperren ihnen plötzlich Schnüre den weiteren Weg ins Glück. Mit schelmischem Lächeln bilden die Mädchen und Jungen der Trachtengruppe Sankt Hedwig aus Mengelsdorf Spalier. Nach altem schlesischen Brauch greifen die beiden Bräutigame tief, ganz tief in ihre Taschen. Je lauter die Münzen auf dem Pflaster klingen, desto schneller lösen die kleinen Blockierer die Schnüre und geben den Weg zur Bühne auf dem Obermarkt frei. Hier wartet bereits der Töpferpokal, die Kruke mit dem Heidelbeerwein sowie Günter Meißner mit seinen Ratschlägen für die Fahrt in den Ehehafen auf sie.

 

Insgesamt 60 Töpfer und 15 weitere Imbiss- und Bäckerstände lassen den Obermarkt, beginnend vom Reichenbacher Turm bis zum Ende der Brüderstraße am Untermarkt, zu einer Flaniermeile für die Kauf-und Schaulustigen werden.

 

 

Trotz Andrang gibt es keine Stockungen

 

 

Trotz des Besucherandranges kommt es zu keinen Stockungen vor und zwischen den Ständen. Dies ist das Resultat der gewollten Beschränkung der Zahl der zugelassenen Händler. „Ich freue mich jedes Jahr ganz besonders auf den Schlesischen Tippelmarkt in Görlitz“, sagt Corinna. Die 25-jährige Töpferin mit dem schönsten Lächeln, was dieser Markt am Wochenende zu bieten hatte, sagt auch warum: „Auf anderen Märkten sitzt grundsätzlich mein Vater hinter dieser mechanischen Töpferscheibe und nur in Görlitz darf ich seinen Lieblingsplatz einnehmen.“ Dann steht der Papa auf der Bühne, um als singender Töpfer seine Show zu machen.

 

Premiere hat am Wochenende Kräuterling „Atina“. Hinter der stilgerecht kostümierten Frau mit dem Bauchladen im Gepäck, verbirgt sich Anita Irmer aus Drehsa. Sie verkauft Gewürz- und Suppensträuße. „Die Ware soll eine blühende Ergänzung zum Angebot des Tippelmarktes sein, und die Leute greifen tüchtig zu“, freut sie. Zum ersten Mal ist Gisela Otto aus Meuro in Brandenburg mit ihrer figürliche Pflanzen- und Zierkeramik dabei: Ein heißer Tipp von den Kollegen sei der Standort auf der Brüderstraße gewesen. Peter Krempl erlebt den Tippelmarkt zum ersten Mal. Aus dem Bayerischen Wald ist er angereist. „Am meisten freut es mich, dass die Leute hier nicht so um den Preis der Ware feilschen wie die Kundschaft in Süddeutschland“, sagt er. Im Blickpunkt stehen vor allem seine Petroleumlampen, das reduzierend gebrannte Steinzeug mit Feldspatglasur, die Pflanzenkeramik und Zinndeckelbierkrüge.

 

Den weitesten Weg von Minden (Westfalen) nach Görlitz hat Boris Seifert hinter sich. Seine blauweiße, mit Tiermotiven bemalte Geschirrmixtur findet wieder viele Abnehmer. Besonders Tassen und Frühstücksblätter als Schnittenbrettl sind der Renner. Seifertstaunt „wie viele Töpfermarkttouristen mir an diesem Wochenende begegnet sind“. Kunden, die schon in Kiel oder in München an seinem Umsatz beteiligt waren.