Töpferhandwerk ist wieder gefragt

Sabine Larbig und Rolf Ullmann, Sächsische Zeitung vom 10. März 2010

Severine Meißner aus Trebus verschwendet keinen Blick an die weiße Pracht vor den Fenstern der Töpferwerkstatt. Ihre ganze Aufmerksamkeit gilt der rotierenden Scheibe, auf der unter ihren geschickten Händen ein Abendmahlskelch Gestalt annimmt. Der Kelch gehört zu den Stücken, mit denen die 28-Jährige zur Gesellenprüfung die Jury von ihrem Können überzeugen will. „Mein Kirchenjahr“ lautet das Motto ihrer Gesellenstücke. Geschirr für Taufe und heiliges Abendmahl sowie Altarschmuck gehören dazu. „Severine hat das Zeug zu einer sehr guten Töpferin. Statt wie üblich in drei Jahren, kann sie sich nach zwei Jahren Lehre der Prüfung stellen“, sagt Töpfermeister und Vater Günter Meißner stolz. Severine tritt in die Fußstapfen ihrer Schwester Corinna, die vor wenigen Jahren ihre Lehre in der väterlichen Töpferei auch so erfolgreich abschloss.

Das soll sich im Motto für den Tag der offenen Töpferei an diesem Wochenende widerspiegeln, an dem sich die Trebuser beteiligen: „,Ein Töpfer will ich werden – vom Lehrling über den Gesellen bis zum Meister‘, haben wird gewählt“, so Günter Meißner. Die Voraussetzungen, das Handwerk zu erlernen, seien in Sachsen nicht schlecht. Es ist derzeit das einzige Bundesland, in dem es eine eigenständige Ausbildung gibt. Neben Keramiker/Scheibentöpfer werden Porzellanmaler und Industriekeramiker ausgebildet. Pro Jahrgang beginnen 25 Jugendliche aus Sachsen die dreijährige Ausbildung. So wie Severine: „Für mich geht mit der Freisprechung als Töpfergesellin ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung.“ 

Freude am steigenden Interesse für das Töpferhandwerk hat auch Udo Hirche aus Sagar. Was in seiner Keramikwerkstatt entsteht, trägt ein unverwechselbares Markenzeichen: das Feldblumendekor. „Mein Vater hat das Muster zur Hochzeit 1948 von seinem alten Meister geschenkt bekommen“, sagt er. Mit Gründung seiner Werkstatt im März 1988 ließ er das Dekor aufleben. Seither zieren roter Mohn, blaue Kornblumen, gelbe Ähren und weiße Margeriten sowohl Küchengeschirr als auch Pflanzkeramik oder Sonderanfertigungen. „Die Farben mische ich einmal monatlich in der Werkstatt nach einem alten und gehütetem Rezept“, erzählt Udo Hirche.

Zum Tag der offenen Töpfereien lassen er und seine Mitarbeiter sich in der Werkstatt über die Schultern schauen. Führungen und Schautöpfern oder Ausflüge in die Kunst des Bemalens gibt es ebenso wie Kaffee und Kuchen. Dass Udo Hirche bei der Arbeit vor dem 1250 Grad heißen Brennofen dennoch nicht ins Schwitzen kommt, so liegt das daran, dass er die Temperatur im Winter „als angenehm“ empfindet.

Durch ihre 100 Jahre alte Werkstatt führt auch Kathrin Najorka aus Krauschwitz am Wochenende die Besucher. Dann wird mit Kindern gebastelt, Bowle und Fettschnitten gibt es und natürlich kann jedermann das Töpfern ausprobieren. Was sich so schön und kreativ präsentiert, ist jedoch ein anstrengendes Handwerk. So muss die zierliche Töpfermeisterin täglich einen tonnenschweren Tonschneider – eine Art riesiger Fleischwolf – in Gang setzen, um Ton zu Geschirr und Einzelstücken verarbeiten zu können. Den Ton gewinnt sie auf dem eigenen Grundstück – auch in schweißtreibender Arbeit. „Erst wird Ton mit Wasser aufgeschlämmt, dann gesiebt. Danach wird das Wasser mit Pumpe und Presse ausgepresst“, sagt Kathrin Najorka.

Aus dem Krauschwitzer Ton, den sie als „besten Steinzeugton“ empfindet, entsteht auf ihrer Töpferscheibe traditionelles Steinzeug in großer Vielfalt. Gebrannt wird im Kasseler Ofen, dem „deutschlandweit einzigen betriebsbereiten Kasseler Ofen“, so die Töpfermeisterin stolz. Um das Monstrum mit 16 Kubikmetern Fassungsvermögen bestücken zu können, muss sie viele Monate töpfern. Ist der Ofen dann voll, heißt es ihn mit 25 Festmetern Holz auf 1350 Grad bringen. Erst nach 40 Stunden ist das Steinzeug mit Salzlasur gebrannt. Wegen des Riesenaufwands wird der Ofen nur drei Mal im Jahr gefeuert.